Die Fachstelle hat ein online-basiertes Dokumentationssystem, mit dem sie ihre eigenen Fälle dokumentiert. Mit Hilfe der Dokumentation stellt die Fachstelle aggregierte Daten als Ressource für Beratungsstellen- und Organisationen und als eine Handlungsgrundlage für Politik und Verwaltung bereit. Zusätzlich macht das Dokumentationssystem typische Fallkonstellationen und Präventions-Bedarfe sichtbar und trägt so zur Entwicklung von Interventionsstrategien gegen Diskriminierung bei. Durch das Sammeln von Fällen im System kann die Fachstelle bestimmte „Muster“ von Diskriminierung oder häufig vorkommende Diskriminierung aufgrund bestimmter Merkmale erkennen. Zu diesem Zweck wertet die Fachstelle die Beratungsanfragen jährlich in einem Dokumentationsbericht aus.
Hinweis: Die Fachstelle erhebt keinen Anspruch darauf, mit den gesammelten Daten aus der Beratung ein vollständiges Bild der Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt darzustellen. Es handelt sich hierbei um Daten aus Anfragen, die die Fachstelle erreicht haben und von ihr als Diskriminierungsfall eingestuft wurden. Folglich sind diese Daten nur auf die Anfragen zurückzuführen, die die Fachstelle erreicht haben.
Dokumentation der Beratungsanfragen 2024
Im Jahr 2024 war Diskriminierung im bestehenden Wohnverhältnis weiterhin der häufigste Grund, um die Fachstelle zu kontaktieren. Mit Fällen von rassistischer Beleidigung und Bedrohung, teils mit verfassungsfeindlicher und rechtsextremer Symbolik, erreichte Diskriminierung im Wohnumfeld 2024 eine neue Eskalationsstufe. Verbale und nonverbale Belästigung, Sachbeschädigung und körperliche Angriffe sind dabei besonders belastend, wenn sie den Schutzraum der eigenen Wohnung betreffen. Sie erfordern Intervention und Unterstützung nicht nur durch die Fachstelle, sondern auch von Nachbar:innen und Wohnungsunternehmen. Wichtig ist die Positionierung an der Seite der Betroffenen, Gesprächsangebote und transparente Kommunikation zu Standards des Zusammenlebens.
Wie in den Jahren zuvor waren Ratsuchende auch 2024 am häufigsten von rassistischer Diskriminierung betroffen (76 %). Diese ist dabei im Vergleich zu anderen Statistiken zu Diskriminierungserfahrungen (ADS/SOEP1) überrepräsentiert. Dies lässt vermuten, dass Rassismus für die Diskriminierungserfahrung auf dem Wohnungsmarkt eine im Vergleich zu anderen Alltagsbereichen übergeordnete Rolle spielt. Geschlechtsbezogene Diskriminierung steht mit 25 % der Fälle an zweiter Stelle, gefolgt von sozialem Status (14 %), sexueller Identität (12 %) und Behinderung/ Krankheit (10 %).
Von hoher Relevanz ist Mehrfachdiskriminierung. Bei 40 % der Anfragen aus dem Jahr 2024 fand Diskriminierung auf Grund mehrerer Merkmale statt. Auch auf dem Wohnungsmarkt wirkt Diskriminierung intersektional. Für die Fachstelle heißt das, die Diskriminierungskategorien nicht als Schubladen zu verstehen, in die Fälle eingeordnet werden, sondern jede Anfrage in ihrer Spezifik und Überlagerung verschiedener Kategorien zu bearbeiten.
Lesen Sie hier den gesamten Dokumentationsbericht 2024.
Dokumentation der Beratungsanfragen 2023
Diskriminierung im Wohnverhältnis – darunter insbesondere in Form von Nachbarschaftskonflikten – war im Jahr 2023 entsprechend der Beratungsanfragen ein besonders häufiges Problem, wobei die große Mehrzahl der Fälle mit rassistischer Diskriminierung in Verbindung stand. Knapp ein Drittel der Anfragen bezog sich auf Diskriminierung bei der Wohnungssuche.
In mehr als drei Vierteln aller erfassten Anfragen spielt rassistische Diskriminierung eine Rolle. Häufig sind mit jeweils mehr als zehn Prozent der Fälle außerdem soziale Herkunft, sexuelle Orientierung, Behinderung und Geschlecht als Merkmale, auf die sich Diskriminierung bezog.
Bei fast einem Drittel aller Anfragen wurden gleich mehrere Diskriminierungsmerkmale erfasst, in mehr als 12 % der Anfragen sogar drei oder mehr Merkmale zugleich. Für alle Diskriminierungsformen gilt dabei, dass sie vor allem intersektional, also in Überschneidung und Überlagerung mit anderen Merkmalen wirken. Bis auf Rassismus treten die Kategorien öfter in Kombination, als alleinstehend auf.
Die Intersektion der dokumentierten Diskriminierungsmerkmale in einzelnen Fällen zeigt, dass Diskriminierung und Benachteiligung selbst in vermeintlich ähnlichen Lebenslagen ganz unterschiedliche Auswirkungen haben kann. Im Falle der Nachbarschaftskonflikte sind gerade alleinerziehende Frauen of Color von Diskriminierung betroffen. Andere Fälle zeigen, dass auf Anfragen für Umbaumaßnahmen zur Verbesserung der Barrierefreiheit bei älteren Personen teilweise je nach Herkunft unterschiedlich reagiert wird.
Lesen Sie hier den gesamten Dokumentationsbericht 2023.
Dokumentation der Beratungsanfragen 2017 – 2022
Von 2017 bis 2020 stieg die Zahl der Beratungsanfragen und Fallbetreuungen kontinuierlich auf knapp 150 pro Jahr an. Es kann angenommen werden, dass dieser Anstieg vor allem auf die zunehmende Bekanntheit der Fachstelle zurückzuführen ist. Mit Beginn der Corona-Pandemie gingen die Anfragen zurück, vermutlich aufgrund erschwerter Zugänge zur Beratung.
Rassistische Diskriminierung war über den gesamten Zeitraum hinweg der häufigste Beratungsanlass. Neben dem Merkmal „Person of Color“ berichteten Ratsuchende besonders oft von Ungleichbehandlung aufgrund eines „nicht deutsch klingenden“ Namens oder der Sprache. Häufig wurden mangelnde Deutschkenntnisse als Vorwand genutzt, um Geflüchteten Wohnungen zu verwehren. Ebenso häufig genannt wurden diskriminierende Haltungen gegenüber Rom:nja und Sinti:zze.
Auch Diskriminierung aufgrund des sozialen Status spielte eine große Rolle. Menschen, die Leistungen vom Jobcenter beziehen, werden oft pauschal vom Wohnungsmarkt ausgeschlossen, indem Vermieter:innen eine Zusammenarbeit mit dem Amt verweigern. Alleinerziehende haben es ebenfalls schwer, auch wenn sie selten offen diskriminiert werden – vielmehr werden ihre Lebensumstände als Belastung wahrgenommen.
Direkte Diskriminierung, also eine unmittelbare Ungleichbehandlung im Vergleich zu anderen, trat deutlich häufiger auf als mittelbare Diskriminierung durch scheinbar neutrale Vorschriften. Hauptverursachende waren überwiegend große, private Vermieter:innen mit mehr als 50 Wohneinheiten, gefolgt von Nachbar:innen.
Viele Betroffene kamen mit dem Ziel in die Beratung, eine neue Wohnung zu erhalten. Weitere Ziele der Ratsuchenden sind eine Entschuldigung der Verursachenden und der Wunsch, Diskriminierung sichtbar zu machen oder das nachbarschaftliche Miteinander zu verbessern. Finanzieller Schadensersatz oder Mediation wurden seltener angestrebt.
Die Fachstelle intervenierte am häufigsten durch das Schreiben von Diskriminierungsbeschwerden und die Begleitung der Betroffenen als Beistand vor Gericht. Diese Beschwerden stärken die individuelle Perspektive der Betroffenen und verorten sie zugleich im gesamtgesellschaftlichen Kontext. Weitere Maßnahmen wie Mediation oder Pressearbeit spielten eine untergeordnete Rolle.
Lesen Sie hier den gesamten Dokumentationsbericht 2017-2022.