Rechtlicher Rahmen

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Das Recht, keine Diskriminierung zu erfahren, ist umfassend geschützt: auf Ebene des internationalen Völkerrechts, des transnationalen Europarechts und des Rechts der Europäischen Union (EU) sowie in vielen Ländern durch nationales Recht.

In der Bundesrepublik Deutschland ist der Diskriminierungsschutz in unterschiedlichen Gesetzen und auf unterschiedlichen rechtlichen Ebene verankert. Artikel 3 Grundgesetz (Gleichheitsgrundsatz) regelt zum einen die Gleichstellung aller Menschen vor dem Gesetz (Artikel 3 Absatz 1 GG), zum anderen die Gleichstellung von Mann und Frau (Artikel 3 Absatz 2 GG) sowie das Diskriminierungsverbot (Artikel 3 Absatz 3 GG).


Auf der Ebene des Bundesrechts gibt es eine Vielzahl von Bundesgesetzen, die für unterschiedliche Bereiche den Schutz vor Diskriminierung regeln. Dies sind beispielsweise das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das Bundesgleichstellungsgesetz (BGleiG) oder das Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung (BBG). Auch im Allgemeinen Strafrecht oder im Sozialgesetzbuch (SGB) sind Diskriminierungsverbote enthalten.


In den Verfassungen der Bundesländer gibt es ebenfalls Diskriminierungsverbote, die teilweise über die Gewährleistungen auf Bundesebene hinausgehen. Bundesländer können auch im Rahmen ihrer Kompetenzbereiche Gesetzte zum Diskriminierungsschutz erlassen. In Berlin gibt es beispielsweise das Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG), das am 20.06.2020 in Kraft getreten ist. Es ermöglicht Personen, die Diskriminierung durch öffentlich-rechtliches Handeln des Landes Berlin erfahren haben, dagegen rechtlich vorzugehen.

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) trat am 18. August 2006 in Kraft. Es baut auf vier Richtlinien der Europäischen Union (EU) auf, die als Richtschnur für die Stärkung des Diskriminierungsschutzes auf nationaler Ebene der EU Mitgliedsstaaten gelten. Das AGG untersagt Diskriminierung im privatrechtlichen Rechtsverkehr in der Bundesrepublik Deutschland.

Im § 1 AGG ist formuliert: „Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse [sic [1]] oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.“ Wobei auch mehrdimensionale oder intersektionale Diskriminierung im Gesetz anerkannt sind (§ 4 AGG). Dies sind Benachteiligungen aufgrund mehrerer sich überschneidender Merkmale.

Anwendbarkeit des AGG auf den Bereich Wohnen

Das AGG ist auch auf den Wohnungsmarkt anwendbar, wobei der Diskriminierungsschutz hier eingeschränkt ist. Das Benachteiligungsverbot greift erst, wenn es sich bei der Vermietung um ein sogenanntes Massengeschäft handelt, das heißt, wenn die Vermieter*innen mehr als 50 Wohnungen vermieten (§ 19 Absatz 1, Nr. 1 AGG). Dies gilt jedoch nicht bei rassistischer Diskriminierung oder bei Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft (§ 19 Absatz 2 AGG). Bei diesen Diskriminierungsmerkmalen erstreckt sich der Schutz des AGG auf alle Verträge im Bereich der Güter-und Dienstleistungen, wozu auch die Versorgung mit Wohnraum zählt.

Ausnahmeklausel für den Wohnungsmarkt (§ 19 Absatz 3 AGG)

Eine Einschränkung des Diskriminierungsschutzes für den Wohnungsmarkt ergibt sich durch § 19 Absatz 3 AGG, der besagt: „Bei der Vermietung von Wohnraum ist eine unterschiedliche Behandlung im Hinblick auf die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen und ausgewogener Siedlungsstrukturen sowie ausgeglichener wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Verhältnisse zulässig.“ Folglich gilt diese Ausnahmeregelung vom Benachteiligungsverbot auch für rassistische Diskriminierung oder bei Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft.

Diese Klausel gilt nach europäischem Diskriminierungsschutz als ein Einfallstor für Diskriminierungen. Denn was unter der „Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen“ oder unter „ausgeglichenen kulturellen Verhältnissen“ verstanden wird, ist im Gesetz nicht näher geregelt. Aus diesem Grund wird nach allgemeiner Rechtsprechung diese Regelung so ausgelegt, dass Ungleichbehandlung nur im Fall von positiven Maßnahmen (zum Beispiel Förderquoten) für Menschen mit Migrationshintergrund gestattet wird.

Ausnahme beim „Nähe- oder Vertrauensverhältnis“ (§ 19 Absatz 5 AGG)

Eine weitere Ausnahme vom Diskriminierungsverbot des AGG gilt für privatrechtliche Schuldverhältnisse, die durch ein „Nähe-oder Vertrauensverhältnis“ geschaffen werden (§ 19 Absatz 5, Satz 1 AGG). Für den Wohnungsmarkt gilt dies bei einem Mietverhältnis, wenn Mieter*innen und Vermieter*innen oder deren Angehörige auf demselben Grundstück wohnen (§ 19 Absatz 5, Satz 2 AGG). Für diese Fälle ist auch Diskriminierung aufgrund rassistischer Zuschreibung oder der ethnischen Herkunft zulässig. Ob diese Bereichsausnahme mit der Richtlinie 2000/43/EG (Antirassismusrichtlinie) der Europäischen Union (EU) vereinbar ist, bleibt in der Fachliteratur umstritten.

Für mehr Informationen zum AGG: Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2019): „AGG-Wegweiser Erläuterungen und Beispiele zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz“ Berlin. 10. Ausgabe. Verfügbar auch online:
http://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/Downloads/DE/publikationen/Wegweiser/agg_wegweiser_erlaeuterungen_beispiele.pdf?__blob=publicationFile

Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG)

Beim Schutz vor Diskriminierung schließt das Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) eine Rechtsschutzlücke im bisherigen Antidiskriminierungsrecht des Bundes und der Länder. Mit dem LADG ist es nun möglich, dass Menschen, die gegen Diskriminierung durch öffentlich-rechtliches Handeln vorgehen möchten, dies auf rechtlichem Wege tun können. Das LADG gilt ausschließlich im Land Berlin und nicht wie das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) bundesweit. Für private Rechtsverhältnisse ist weiterhin nur das AGG einschlägig.

Der erweiterte Merkmalskatalog des LADG wie auch die Beweislasterleichterung (die bereits bei Diskriminierung in privatrechtlichen Bereich durch das AGG besteht) sind wichtige Erleichterungen für die Betroffenen von staatlicher Diskriminierung im Bereich Wohnen. Zusätzlich haben Personen, die Diskriminierung ausgesetzt sind, aber nicht alleine rechtlich gegen die Diskriminierung vorgehen können oder wollen, die Möglichkeit, ihre Rechte entweder von einer anderen Person oder einem Verein vor Gericht einzuklagen (Prozessstandschaft). Das LADG gestattet auch die Verbandsklage. Dies bedeutet, dass Vereine gegen diskriminierende öffentlich-rechtliche Handlungen vorgehen können, ohne dass konkrete Rechte einer Person dadurch verletzt wurden.

Anwendbarkeit des LADG auf den Bereich Wohnen

Für das Handlungsfeld Wohnen ergeben sich nur begrenzte Möglichkeiten aus dem Geltungsbereich (§ 3 LADG), um die bisherigen Lücken des AGG zu schließen. Trotzdem kann das neue Gesetz dazu beitragen, auf mehreren Ebenen den Diskriminierungsschutz im Bereich Wohnen zu stärken: Mit dem LADG verpflichtet sich das Land Berlin darauf hinzuwirken, dass das Gesetz auch dort berücksichtigt wird, wo das Land unmittelbar oder mittelbar an juristischen Personen des Privatrechts oder Personengesellschaften Anteile hält oder erwirbt. Im Bereich Wohnen sind dies kommunale Wohnungsunternehmen, die Eigentum des Landes Berlin sind. Gegen sie kann jedoch im Einzelnen nicht auf der Grundlage des LADG vorgegangen werden. Das liegt daran, dass sie in ihrer Rechtsform nicht öffentlich-rechtliche Körperschaften, sondern Körperschaften des Privatrechts sind. Da im Aufsichtsrat jedes Landeswohnungsunternehmens mindestens eine Person die Senatsverwaltungen vertritt, kann über diese Vertreter*innen des Landes nichtdiskriminierendes Handeln verbindlich bei den Unternehmen eingefordert werden. Ein weiterer Fall, bei dem das LADG eine wichtige Grundlage bieten könnte, um Diskriminierung geltend zu machen, ist der Zugang zu einem Wohnberechtigungsschein (WBS).

Für mehr Materialien zum LADG siehe Webseite der LADG-Ombudsstelle: https://www.berlin.de/sen/lads/recht/ladg/materialien/

Gesetze mit Relevanz für den Bereich Wohnen


[1] Die Fachstelle bewertet die Verwendung des Begriffs „Rasse“ in Gesetzestexten und internationalen Menschenrechtsdokumenten als problematisch und versucht ihn in eigenen Darstellungen zu vermeiden. Vgl. Cremer (2010): Ein Grundgesetz ohne Rasse. Policy Paper No. 16. Hrsg. Deutsches Institut für Menschenrechte, Berlin.